Architekt und Marketingprofi Johannes Zettel im Interview | 10plus1 Fragen no 27

Architekt Johannes Zettel, Foto: Viola Müller-Gerbes

„Architekten sollten so viel Herzblut für die Kommunikation ihrer Arbeiten aufwenden, wie für Entwurf und Detailplanung.“

Johannes Zettel gehört zu den wenigen Architekten, denen die Wirksamkeit von hochwertiger Kommunikation bewusst ist. Deshalb setzt er sie gezielt für seine Kunden ein. Die Begeisterung für Fotografie, Film, Kunst sowie Architekturkommunikation brachte ihn dazu, ein Agenturnetzwerk zu gründen: NAOS. Sein Know-how als Planer und aus der Arbeit für internationale Firmen der digitalen Bauindustrie prädestinieren ihn als Marketingexperten für die Architektur- und Immobilienbranche. Im 10plus1 Fragen erzählt uns Johannes, was ihn inspiriert und motiviert, weshalb er die Seiten gewechselt hat und warum es Architekturbüros wenig bringt, die „eierlegende Wollmilchsau” zu geben.  

1. Wenn Du nicht das machen würdest, was du machst, dann...?
…hätte ich in irgendeiner Funktion versucht die olympische Bewegung zu bereichern. Auch wenn heutzutage Korruption und Doping den Sport zerstören, so liebe ich all das, was Olympia ausmacht. Das verbindende, friedliche große Sportfest, was es an sich ist. Das Zusammenkommen der verschiedenen Kulturen und die Kraft, die darin steckt. Und wer ein wenig in der olympischen Geschichte liest, wird auch feststellen, dass die Architektur und auch der Städtebau von 1912 bis 1948 olympisch war. Es ist eine Passion, die ich seit der Eröffnungsfeier der Spiele von Calgary 1988 nicht mehr loswerde. 

2. Welche Bücher, Serien oder Musik etc. magst Du?
Generell liebe ich die übergroßen, schweren Bücher. Ob Bildband über Landschafts- oder Architekturfotografie, über den Bauplan als Werkzeug des Architekten oder Bücher über Typographie und Grafikdesign. Groß und schwer. Zum Wälzen. Meine absolute Schwäche bei den TV Serien gehört den beiden amerikanischen Sitcoms „Friends“ und „How I Met Your Mother“. Ich war noch niemals in New York und diese Serien geben mir (zumindest Friends) seit über 20 Jahren ein absolutes wohliges Gefühl. Zum berieseln lassen, zum ausspannen. Ich liebe es einfach.

Als jemand, der 12 Jahre in einem Musikgymnasium ausgebildet wurde, ist meine musikalische Bandbreite unglaublich vielfältig. Von klassischer Musik, in welcher ich vor allem den Barrock favorisiere, über den Rock der 60er-90er Jahre, den ich selbst in diversen Bands an der E-Gitarre interpretiert habe hin zu Deep House und Dance. Das höre ich vor allem beim Sport.

 3. Welche Persönlichkeiten inspirieren Dich?
Es sind ganz schlicht und ergreifend meine beiden Kinder. Vier und zwei Jahre alt, sie sind so schön unvoreingenommen. Und dieser Perspektivwechsel, die Welt aus den Augen der Kinder zu sehen, lässt mich das Leben wieder ein Stück neu erkennen und eingefahrene Muster aufbrechen. Das inspiriert mich privat wie beruflich.

4. Welche Architekten und/oder Gebäude bewunderst Du?
Vor 20 Jahren habe ich während meines Kunst-Leistungskurses ein Referat über Frank Lloyd Wright gehalten. Sein Gebäude > Fallingwater in den Wäldern von Pennsylvania ist seitdem für mich tatsächlich ein „Sehnsuchtsort“. Auch, wenn mir das sonstige Werk von Wright nicht so zusagt. Die Formensprache des Hauses und seine Einbettung in die Umgebung imponieren mir immer wieder.
Ich liebe den > Olympiapark in München. Die Grundidee von den Spielen im Grünen und deren architektonische Umsetzung von Behnisch, Otto, Grzimek finde ich so außergewöhnlich gut gelungen, dass ich das Gesamtensemble gerne als UNESCO Welterbe sehen würde.

Ansonsten bevorzuge ich keinen bestimmten Architekten. Halte aber sehr viel von > Bjarke Ingels (BIG) als „Rockstar“ der Architektur (zumindest war er das vor 10 Jahren noch). Aber auch von den Büros > Henning Larsen und > Dietrich Untertrifaller.

 5. Du bist von Haus Architekt. Wie kam es zum Wechsel in die Kommunikations- und Marketingbranche und zur Gründung der Agentur NAOS?
Ich habe nach dem Diplom in zwei verschiedenen Architekturbüros gearbeitet. Vornehmlich in der Ausführungsplanung und der Ausschreibung. In diesen Bereichen habe ich mich überhaupt nicht wohlgefühlt und auch erkannt, dass andere Personen darin stärker sind. Ich habe mich mehr oder weniger ins Büro gequält und begonnen mich zu reflektieren. Das rate ich allen Architekten, egal ob frisch von der Uni oder nach 20 Jahren Beruf. Wenn Dir das, was du tust, keine Freude mehr bereitet, ist das Ergebnis nicht gut. Du arbeitest dich ab, obwohl das Fach „Architektur“ so viele wunderbare Alternativen bietet.

Schnell kam ich zur Überzeugung, dass ein Master in „Architektur Media Management“ an der Hochschule in Bochum zu mir passt wie die Faust aufs Auge. Nach dem Master kam ich zügig ins Marketing und in den Vertrieb bei internationalen Unternehmen der digitalen Bauindustrie. Dort habe ich mich sehr wohl gefühlt. 2019 fing ich nebenberuflich damit an, Immobilienprojekte für Entwickler und Bauträger zu vermarkten und Baustoffhersteller zu beraten. Meine Sicht und Expertise als Architektur sind da sehr hilfreich. Die Anfragen wuchsen und so habe ich vergangenen Oktober Nägel mit Köpfen gemacht. Jetzt bin ich mit ganzem Herzen dabei und mache genau das, was ich will und worin ich gut bin.  

6. Was sind die Schmerzpunkte der Architektur- oder auch Baubranche im Hinblick auf Kommunikation und Marketing?
Manche kleineren Architekturbüros halten Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation als unwichtig der gar nerviges Beiwerk. Dann starten sie mal kurz eine Offensive. Und ein paar Jahre später findet sich unter „Aktuelles“ der neueste Beitrag, der bereits zwei Jahre alt ist. Das ist schade. Nach dem Motto „Tue Gutes und sprich darüber“ sollten Architekten ebenso viel Energie und Herzblut für die Kommunikation ihrer Arbeiten aufwenden, wie für Entwurf und Detailplanung.

In der Baubranche ist die Kommunikation häufig arg technisch und wenig emotional aufgeladen. Teils sehr stark auf die Verarbeiter ausgerichtet und wenig auf die Architekten. Gerade die Baustoffhersteller haben da Defizite. Architekten wollen verstanden werden und sie sind eine anspruchsvolle Klientel. Das sind Menschen, die sich auch nach 17 Uhr und in der Freizeit ständig mit ihrem Beruf beschäftigen und auch Haltungen haben. Produkte müssen da anders vermarktet und kommuniziert werden als etwa Arbeitsschuhen Schraubenzieher oder Betonmischer. Und selbst dabei wäre eine ansprechende und ästhetische Kommunikation spannend. Das erkennen aber immer mehr Hersteller, was mich sehr freut. 

7. Gerade Architekturbüros verkennen die Chancen von Digitalisierung, Kommunikation und Marketing. Andere Branchen sind da weiter und auch investitionsfreudiger. Woran liegt es?
Kurz gesagt, glaube ich es liegt am typischen „das war schon immer so“. Wenn man sich zum Beispiel die Einführung von CAD-Software-Lösungen ansieht: Die ersten CAD-Programme kamen 1984 auf den Markt und hätten schon Mitte der 80er Jahre zu kürzeren Planungszeiten, optimierteren und fehlerfreien Prozessen beitragen können. Das hat aber erst weit später in den Architekturbüros gezündet, weil das insgesamt wohl nicht „sexy genug“ für die Architektenschaft war. Ich erinnere mich an das Büro meines Vaters, was in Regensburg als erstes Büro 1992 mehrere CAD-Arbeitsplätze installierte. Von den anderen Architekten in der Stadt als „Spinner“ belächelt, der die Kunst der Architektur nun mit dem Computer ausführen wollte. Spätestens 1998 hatten allerdings dann die meisten Büros in Deutschland eine CAD-Lizenz. Und genauso schleppend geht die Implementierung der BIM-Arbeitsweise heute von statten. Da wiederholt sich die Geschichte.

Und so ist es in den Bereichen Kommunikation und Marketing eben auch. Dem Architekten war es vor gar nicht allzu langer Zeit ja sogar noch verboten „Werbung“ zu betreiben. Ich denke aber auch, dass in den Köpfen der jüngeren Architekten (also zwischen 25 und 45) die Wichtigkeit von Digitalisierung, Kommunikation und Marketing präsent ist. Deshalb bin ich mir sicher, dass sich hier in den kommenden 10-15 Jahren sehr viel zum Positiven wendet. Die Architekten werden ihre Büros mehr wie „klassische Unternehmen“ führen. Ab einer gewissen Größe also auch mit einer Marketing- und einer HR-Abteilung. 

8.  Es gibt hier 40.000 Architekturbüros. Somit besteht ein harter Wettbewerb. Wie kann es gelingen, hier sichtbarer zu werden bei Zielgruppen (Bauherren, Öffentlichkeit, junge Talente)?
Es ist nicht zielführend, die „eierlegende Wollmilchsau“ sein zu wollen. Auf so vielen Webseiten von Architekturbüros werden sämtliche Bereiche als Kernkompetenz aufgezeigt. Das ist schlicht unglaubwürdig. Genauso wie in der freien Wirtschaft ist es auch hier so, dass eine Spezialisierung und eine spitze, zielgruppenorientierte Kommunikation in passenden Medien zur höheren Relevanz und Sichtbarkeit führt. Wenn man also nicht über ein gut funktionierendes lokales Netzwerk verfügt, welches einem ständig Aufträge zuspielt, bedarf es einer klaren Positionierung und einer ausgeklügelten Kommunikationsstrategie. Das ist schlichtweg Marketing. Auch wenn das vielfach nicht als Bestandteil zur Führung eines Architekturbüros gehalten wird.

Und selbstverständlich bespielt man diverse Kanäle nicht eben mal so. Da bedarf es einer klaren Strategie, Redaktionsplänen und einen nicht zu verachtenden zeitlichen Einsatz. Viele können oder wollen das schlicht nicht leisten. Und genau dafür gibt es Unternehmen wie NAOS oder Dienstleister wie Architekturtexter und Architekturfotografen. Auch die spezialisieren sich ja auf eine Nische.

9. Zurück zu Deiner ehemaligen Profession: Was macht gute Architektur aus und was sind die zukünftigen Herausforderungen in Baubranche?
Gute Architektur nimmt sich nicht wichtig. Ist zurückhaltend und schreit die Passanten auf der Straße nicht an. Sie ist voll und ganz auf die Bedürfnisse des Nutzers abgestimmt und versucht diesen durch optimierte Funktionalität zu jeder Zeit einen Mehrwert zu bieten. Stimmige Architektur gibt ein gutes Gefühl – egal, ob es sich dabei um Wohnen, Arbeiten, ein Museum oder ein Stadion handelt. In meiner Master-Thesis habe ich damals mit Fußballfans über die architektonische Qualität von Stadien diskutiert. Man möchte nicht glauben, welch architektonisch emotional aufgeladenen Statements ich hier sammeln durfte. Auch sogenannte „Laien“ haben hier ein exzellentes Gespür was wirklich gute Architektur angeht. 

Die härteste Herausforderung rollt wohl gerade auf die Baubranche zu. Momentan liegt der Fokus beim Klimaschutz noch auf der Automobilbranche. Das hält die Leute anscheinend noch genug davon ab, den Bau unter die Lupe zu nehmen. Da jedoch 38 Prozent des CO2-Ausstoßes auf den Building-Lifecycle zurückgehen, wird es nicht mehr lange dauern, bis die Menschen auch hier nachhaltige Veränderungen fordern. Optimierte Prozesse, ressourcenschonende Planung und Ausführung werden dann nicht mehr als Marketinggag auf irgendwelchen Webseiten fungieren.

Ich selbst lebe (noch) nicht besonders nachhaltig, befasse mich aber seit einigen Jahren damit. Hier ist mein persönliches Steckenpferd der ökologisch nachhaltige Holzbau. Vorzugsweise auf Basis einer digitalen, optimierten BIM-Planung bei einem hohen Grad an Vorfertigung und einer ressourcenschonenden Ausführung.

Themen wie Modulbauweise, Vorfertigung oder auch „Cradle to Cradle“ dürfen da kein rotes Tuch für den Schaffenden sein. Wir müssen die Bauindustrie revolutionieren. Und das schleunigst. Das ist in meinen Augen die wichtigste Aufgabe unserer Architekten-Generation.

10. Welche drei Wünsche hast Du als Mensch? 
Die Klassiker: Gesundheit, Glück und Zufriedenheit.

11. Was habt Ihr bei NAOS geplant für 2022, wo geht die Reise hin?
Da sich das Pflänzchen NAOS in diesem Jahr ordentlich entwickelt hat, möchte ich die positive Entwicklung im kommenden Jahr festigen und durch verstärkte Akquise 2021 auch übertreffen.

Dabei kommt viel Arbeit im Bereich des eigenen Marketings und der eigenen Kommunikation auf NAOS zu. Neben den laufenden Projekte liegt der Fokus stark auf Akquise und Netzwerken. Darauf freue ich mich und hoffe, dass es in 2022 wieder Veranstaltungen und Messen geben wird, um echte Menschen zu treffen. Seien wir ehrlich: Kommunikation, Marketing, Vertrieb – das ist „People-Business“ genauso wie der Bau. Da kommt es auf den persönlichen Kontakt an. Und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als die Rückkehr zur Normalität nach 2 Jahren Pandemie-Wahnsinn.

◾ Weitere Informationen zu Johannes Zettel auf naos.marketing und Instagram @naos_am.

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