textart Manifest für Planer und Architekten: 10 Tipps für gezielte Kommunikation

Foto und Image © textart by ute latzke

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Entwerfer, Planer und Immobilienentwickler stellt Euch diese Frage: Warum feiern einige Menschen Bauprojekte, während viele andere diese ablehnen? Einfache Antwort: Architektur ist erklärungsbedürftig. Und das um so mehr angesichts Wohnungsnot, fehlender Grundstücke und gleichzeitig explodierender Immobilienpreise. Urbanen Raum zu bebauen und zu prägen, bedarf mehr denn je einer Legitimierung durch die Allgemeinheit. Ohne zielgruppengerechte Ansprache und Storytelling sowie digitale Präsenz funktioniert das nicht. Mit dem „textart Manifest für Architekten und Planer“ gebe ich Denkanstöße und Tipps, um besser, klarer und glaubwürdiger zu kommunizieren. Dazu gehört auch ein guter Auftritt in Social Media, speziell auf Instagram.


1. Die Perspektive wechseln

Architekten, Bauherren oder Immobilienentwickler kennt Ihr das? Euer Entwurf ist preisgekrönt, die Baugenehmigung erteilt. Gratulation! Doch im Projektverlauf und spätestens, wenn der Neubau fertiggestellt ist, kommt Ernüchterung auf: Die Begeisterung fällt verhalten aus, die Menschen reagieren gar ablehnend auf das Gebäude – und das trotz exzellenter Architektur.⁠ Das wundert Euch? Dann geht einfach um den Tisch herum. Betrachtet die Dinge aus der Sicht des Gegenübers, der nicht in, sondern um Eure Bauprojekte lebt. Er oder sie seht sich damit konfrontiert! Das mag ernüchtern. Doch diese Leute pauschal zu deklassieren mit „...die haben eh keine Ahnung von Architektur und Null Geschmack“, ist kontraproduktiv und abgehoben. ⁠Architekten planen und bauen nicht losgelöst vom Umfeld und oder in splendid isolation! Daraus folgt Punkt 2.

2. Seid transparent und informiert

Partizipation und Transparenz sind die Stichworte, um als Planer oder Auftraggeber Rückhalt für ein Bauvorhaben zu erhalten: ⁠„Wer von Anfang an offen kommuniziert, mögliche Einwände seitens der Öffentlichkeit ernst nimmt, Projekte erklärt und diese Abläufe auch gezielt moderiert, ist auf gutem Weg, Akzeptanz zu erzielen und die Menschen letzten Endes für zeitgemäßes Bauen zu begeistern.“ Das ist die Erfahrung von Stefanie Wögrath, eine von drei Geschäftsführern bei @illiz.architektur aus Zürich, die ich Ende 2019 interviewen durfte.⁠ illiz haben eine ehemalige Zivilschutzanlage in Rorschacherberg umgewidmet in eine Feuerwehr. Entstanden ist ein zeitloser, gleichzeitig archaisch wirkender Bau. Die mit Feuer behandelte Fassade verortet die Architektur und macht die Funktion eindrucksvoll ablesbar. Die Bevölkerung wurde von Anfang an in die Planung einbezogen, es gab eine Abstimmung, einen Wettbewerb. Ende gut und die Menschen sind begeistert von IHRER Feuerwehr!

3. Schreibt klar und emotional

Über die Bürotür hinaus zu kommunizieren, scheint vielen Architekten nicht zu liegen. Einerseits treffen Texte und Tonalität nicht den Nerv der Zielgruppe. Andererseits sehen viele keine Notwendigkeit, an die Öffentlichkeit heranzutreten oder sie einzubeziehen (siehe: Punkt 1). Sicher, ist nicht das Kerngeschäft. Denn Euer Fokus ist es, zeitlose Architektur zu gestalten und nicht mit Buchstaben zu jonglieren. Trotzdem: Ob Texte für Website-, Presseinfos oder Projektbeschreibung – versucht klar, informativ und verständlich zu formulieren. Emotionale Texte sind der Weg in den Kopf UND ins Herz der Zielgruppe. Mit Fachchinesisch oder verstaubten Formulierungen wie z.B. „der baukulturelle Gestus“ beeindruckt Ihr niemanden. Im Gegenteil, das wirkt obgehoben und erzeugt Distanz. Hier zwei kurze Absätze als Beispiele vorher/nachher:

  • BITTE NICHT SO: „Der Eingang enthält über die besondere Ausformulierung der vorgelagerten Grünflächen und des Erhaltens des Baumbestandes eine attraktive Adressbildung.“

    BESSER SO: Zwei majestätische Eichen rechts und links flankieren den Eingang, die vorgelagerten Außenflächen sind üppig begrünt.

  • BITTE NICHT SO: „Der neue Stadtbaustein Schule ist als komplexes, minimales Volumen auf dem städtebaulichen Abdruck der ehemaligen anglikanischen Kirche platziert. Die erdgeschossige Transparenz der Komposition aus Schulneubau und Verbindungshalle wird als eine Geste gelesen, welche diese Bauteile vom Erdboden enthebt....“⁠

    BESSER SO: Der Schulneubau steht auf dem Grundstück einer ehemaligen Kirche. Erdgeschoss und Verbindungshalle sind als umlaufende Glasfassade ausgeführt, durch die das Licht flutet. Alle Räume sind hell und freundlich. Diese Offenheit nimmt dem Kubus die Strenge, die beiden aufgesetzten Stockwerke schweben über dem Parterre...

4. Erzeugt Bilder im Kopf

Auch wenn Website und die Fotos der Projekte viel hermachen: Letztendlich transportieren Texte die wichtigen Information. Sie müssen auch ohne Fotos funktionieren und fesseln. Führt die Leser mit Worten durch Raum und Gebäude. Stellt Euch dabei vor, Ihr schreibt für eine blinde Person. Dieser Gedanke hilft mir dabei, klar, informativ und kurzweilig auf den Punkt zu kommen. Das geht auch bei komplexen Fachtexten, indem man sie so verfasst, dass sie Experten und Laien ansprechen. Nicht einfach? Aber lösbar, und zwar so.

5. Holt Euch Feedback

Legt Eure Textentwürfe Freunden, Familie und Partnern vor, die nichts mit Architektur am Hut haben. Kommen alle wichtigen Informationen verständlich rüber? Erzeugt der Text lebendige Vorstellungen von Architektur und Raum? Wenn der Leser an bestimmten Stellen hängen bleibt oder Fragen hat, ist der Text noch nicht rund. Dann überarbeitet ihn so lange, bis es passt. Merke: Auf hohem Niveau zu schwafeln oder branchenspezifische Allgemeinplätze zu verbreiten, bringt keinem etwas. Ja, es stimmt: Informativ auf den Punkt zu schreiben, erfordert Zeit und Know-how. Wenn Ihr keine Kapazitäten habt und das Schreiben zur Qual wird, dann beauftragt einen professionellen Texter oder eine spezialisierte Agentur. Achtung: Der bzw. die macht das gerne im Gegensatz zu Euch! Ihr konzentriert Euch dann beruhigt auf das, worin IHR sehr gut seid, nämliche zeitgemäße Architektur zu erschaffen.

6. Inspiriert und erzählt eine Story!

Auf Instagram folge ich vielen Architekten. Die meisten nutzen die Plattform als reinen Showcase, etwa so: Foto eines Gebäudes posten, dazu eine lieblose Bildunterschrift oder läppisches: „auf der Baustelle”. Motto: Eure Architektur ist so grandios, dass Bilder und der Feed für sich sprechen…? Tja und nach einer Weile kommt die große Ernüchterung: Eure Followerzahlen stagnieren und es kommt kaum Resonanz? Dann heißt es: „Instagram bringt doch nichts.“ Stimmt, wenn man es so macht!

Jetzt fragt Ihr: Was ist daran verkehrt? Schon mal etwas von Mehrwert oder added value gehört? Ich will hier jetzt nicht dozieren, wie Instagram und Communitypflege funktionieren. Da gibt es Experten, die mehr davon verstehen. ABER: Genau darum geht es! Instagram ist ein soziales Netzwerk. Es liegt in der Natur der Sache, dass hier mehr geschehen muss, als ästhetische Achitekturfotos zu posten. Menschen wollen auch heute noch Geschichten hören (lesen), ob am Lagerfeuer oder in der digitalen Welt.

Informiert und inspiriert Eure Community. Zeigt den Followern, wie Ihr tickt, was Euch bewegt, was Ihr für gute Architektur haltet und was Euch darüber hinaus interessiert. Oder berichtet rund um die Entstehung der Gebäude. Erklärt, warum der Entwurf und die eingesetzten Materialien so besonders sind. Beschreibt die großen Herausforderungen bei einem Projekt und wie Ihr sie gemeistert habt. Stellt Eure Mitarbeiter vor und und… Das ist der soziale (Kleb)Stoff für Eure Heldenstories, so macht Ihr Euch und Eure Architektur „greifbar“. So werdet Ihr nahbar, erzeugt Sympathie und schafft Vertrauen. Darum geht es auf Instagram und anderen sozialen Netzwerken. Ja, auch Geschäftsanbahnung ist ein mögliches Ziel! Nur kommt das viel später, und zwar nachdem Ihre eine aktive Community aufgebaut hat. Deshalb zu Punkt 7.

7. Interagiert mit Eurer Community!

Wie oft habe ich auf Instagram gesehen und selbst erlebt, dass Architekten die Fragen und Kommentare ihrer Follower unbeantwortet lassen. Das ist unhöflich und macht einen schlechten Eindruck. Vor allem läuft es dem Gedanken von Networking entgegen (siehe Punkt 6). Beantwortet die Fragen und stellt auch gerne selber welche bei Profilen, die Ihr abonniert habt. Bedankt Euch gelegentlich, dass die Menschen Euch folgen. Das lässt sich z.B. mit einem Foto der Geschäftsführung oder einer News verbinden. Social ist keine Einbahnstraße! Sicher: Eure Website ist die Homebase und die Pflicht, aber Instagram ist die Kür. Und gerade hier solltet Ihr beherzt, professionell und planvoll agieren.

Es gibt neben den Posts sehr viele Möglichkeiten, Eure Sichtbarkeit auf Instagram zu steigern: Stories, Videos, Live und IGTV uvm. Ihr müsst auch nicht am Smartphone rumfummeln, wenn Euch das nicht liegt. Diese falsche Annahme hält wohl viele Unternehmen davon ab, Instagram als Businessplattform zu nutzen. Tatsächlich funktioniert Instagram auch webbasiert am Desktop, dafür gibt es Tools. Keine Kapazitäten für Instagram und Social Media? Dann stellt einen Mitarbeiter ab oder holt Euch Hilfe bei Experten. Auf lange Sicht rechnet sich das.

8. Kommt raus aus Eurer Blase

Mitte Januar hatte ich eine interessante Diskussion mit einem Architekten via Instagram. Wir schrieben uns DM (direct messages), Thema war der Nutzen des Netzwerks. Sein Fazit lautete, dass es für kleine Firmen oder Läden passt, nicht aber für Architekten: „Niemand würde doch einen Auftrag über 150.000 Euro oder mehr vergeben, weil man gute Dinge im Netz sah. Social Media ist eine Blase. Alle reden, ja muss man machen, weil es alle machen... Aber man sollte viel mehr dort fischen, wo die Meute ist ... Immobilien Businessclubs, Wirtschaftsförderung, etc.“. Mein erster Impuls war, dass er recht hat. Nach etwas Reflexion dachte ich:

1. Nicht nur Social Media ist eine Blase, sondern alle (!) Interessengruppen, Medien, Businessclubs, Verbände oder Wirtschaftsförderer, in denen wir uns bewegen. Zumal ich bezweifle, ob es effizienter ist, dort „zu fischen“ oder es zu den gewünschten Abschlüssen kommt. Primär geht es dabei doch auch ums Netzwerken, den Austausch von Informationen und Kontakten. Und dann lässt man die Saat keimen, hegt sie sensibel und langfristig. Nicht anders läuft das in der Blase Instagram, nur mit mehr Dynamik – wenn man den Dreh raus hat. Die Betonung liegt auf Planung und Strategie.

2. Zunächst geht es nicht darum, Aufträge via Instagram oder Social Media reinzuholen. Das kommt (wenn überhaupt) viel später. Nochmals betont, worum es in Eurem Instagram-Account gehen sollte: Menschen zu inspirieren und ihr Feuer für zeitgemäße Architektur zu entflammen, Know-how weiterzugeben und Persönlichkeit zu zeigen, um sichtbarer und glaubhafter zu werden. Heißt also: Erst „geben“ über Interaktion, Information und Inspiration, später nehmen.

9. Nicht auf Instagram? Dann seid Ihr tot!

Wow, steile These! Das höre ich den ein oder anderen Architekten jetzt grummeln. Zumal es doch auch die eigene Website und andere Plattformen gibt, die geeigneter erscheinen. Ja, vielleicht lohnt es sich, weiterhin auch Facebook, Pinterest und houzz zu bespielen. Aber: 2019 lagen die Nutzerzahlen von Instagram in Deutschland bei 15 Million (1 Mrd. weltweit), Tendenz nach oben. Aktualisiert Anfang 2022: Ende 2021 sind es bereits 28 Millionen Deutsche, die auf Instagram sind (Quelle napoleoncat). Die „sehr jungen“ Nutzer und ihre Art zu kommunizieren (Emoji, viele Selfie etc.), mögen für viele ungewohntes Terrain sein. Das sollte aber niemand davon abhalten, es zu betreten. Präsentiert Euch auf Instagram mit einem Businessprofil und baut Euch die passende Gefolgschaft organisch auf. Es bringt Architekten und Planern auch nicht weiter, sich auf die aktuelle Klientel einzuschwören. Motto: „Unsere Zielgruppe sind solvente Bauherren und Entscheider zwischen 45 und 60, die treiben sich nicht auf Instagram herum. Ist nicht seriös genug.“

Vielleicht. Doch bald gehen diese Ansprechpartner in Rente. Und vermögende urbane Kosmopoliten um die 30 – mit Affinität zu Architektur und Immobilien – sind längt massiv auf Instagram unterwegs und holen sich Inspiration. Das sind die Entscheider von morgen. Die Art sich zu informieren, zu konsumieren und interagieren ändert sich rasant. Diese disruptiven Prozesse zu beklagen oder „neue“ Wege des Networking als kindisch zu deklassieren, ist der falsche Weg. Besser ist, die digitalen Plattformen und ihre Möglichkeiten zu nutzen. Ich finde es klasse, wenn Architekten auf Instagram sind, um sich mit ihnen zu vernetzen und auszutauschen. Ist ein Büro dort nicht vertreten, nervt mich das inzwischen.

10. Stecht heraus aus der Masse

In Deutschland gibt es rund 140.000 Architekten, Innen- sowie Landschaftsarchitekten und somit rund 39.000 Büros (2018). Hier aufzufallen und von potenziellen Bauherren wahrgenommen zu werden, ist eine Herausforderung. Wer seine Website und Medien wie Instagram nicht aktiv und zielgerichtet bespielt, sieht schnell die Rücklichter vom Mitbewerber. Steigert Eure Sichtbarkeit und stecht aus der Masse heraus. Ihr habt keine Kapazitäten oder nicht das entsprechende Know-how für Socialmedia? Dann holt Euch Hilfe bei Experten, die damit aufgewaschen sind und wie selbstverständlich damit umgehen. Lasst Euch von professionellen Textern und Agenturen unterstützen, die auf die Architektur- und Baubranche spezialisiert sind. Auf lange Sicht zahlen sich diese Investitionen aus. Word!

Warum zeitgemäße Architektur immer noch polarisiert, lest Ihr hier. Mit welchen Stories Unternehmer und Architekten Zielgruppen fesseln, steht hier.

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