Architekt Markus Neuber im Interview | 10plus 1 Fragen no 17

Markus Neuber, ALN Architekturbüro Leinhäupl + Neuber, Landshut/Berlin/Mailand

Markus Neuber, ALN Architekturbüro Leinhäupl + Neuber, Landshut/Berlin/Mailand

„Unser Berufsstand gibt das Heft des Gesamtdenkers und Dirigenten immer mehr aus der Hand an die steigende Anzahl von Planungsbeteiligten.”

Markus Neuber ist Architekt und Partner bei ALN Architekturbüro Leinhäupl + Neuber. Derzeit gestalten rund 50 Mitarbeiter* unterschiedlicher Disziplinen und Nationalitäten zeitgemäße Architektur für Bildung, Gesundheit, Wohnen und Bauen im Bestand. Das Büro sitzt im beschaulichen Landshut, hat eine Dependance in Berlin sowie Mailand und agiert global. Markus Neuber begeistert generell die Verbindung aus Kreativität und Handwerk: Wäre er nicht Architekt, würde er wohl Sneaker gestalten oder Mode. Im 10plus1 Interview erzählt er uns u.a. von seinen Vorbildern und Einflüssen, welche Bauwerke ihn begeistern und über die Verantwortung als Architekt. Die besten Einfälle kommen ihm bei House-Music, wie passend…

1. Wären Sie nicht Architekt geworden, dann...?
…wäre es ein anderer kreativer Beruf geworden. Für Mode habe ich mich schon immer interessiert. In meiner Jugend habe ich mit Freude Sneaker entworfen. Aber auch das Möbeldesign hätte mich begeistert. Denn die Verbindung aus Kreativität und Handwerk treibt mich schon immer an.

 2. Wer sind Ihre Vorbilder?
Alle, die mit unendlicher Hingabe und Disziplin an sich und ihren Visionen arbeiten.

3. Welche Persönlichkeiten bewundern und inspirieren Sie?
Ich finde die Arbeiten von Oscar Niemeyer, Mies van der Rohe oder Sep Ruf sehr inspirierend. Die Häuser sind allesamt sehr von der handwerklichen Kunst der Architekten sowie auch den Handwerker geprägt, die Pläne umgesetzt haben.

4. Wie schalten Sie ab und kommen zur Ruhe?
Sport ist für mich ein guter Ausgleich. Ich spiele in der Regel zweimal die Woche Eishockey in unserer Altherrenmannschaft. Ich gehe auch gerne Laufen, denn dabei lässt sich wunderbar über alles mögliche nachdenken. So ist mir z.B. die Idee für unser Bürohaus, das wir 2017 fertiggestellt haben, während eines Laufs bei Sonnenaufgang gekommen. Arbeit ist für mich indes keine Belastung, da ich meinen Beruf liebe.

5. Welche Bücher, Magazine, Serien oder Musikstücke begeistern Sie?
Musik hat einen großen Stellenwert, ich höre sie, wann immer es geht. Auf ein Genre festgelegt bin ich nicht. Am mag ich DJ-Sets aus dem Bereich House – gerne mit orientalischen Einflüssen. Manchmal braucht es aber auch etwas Metal oder auch Klassik – ganz nach Tag und Stimmung. Zum Lesen komme ich zwar selten und wenn bin ich breit interessiert. Im Büro findet man alle großen Magazine aus der Architekturwelt.  

6. Welche Bauwerke beeindrucken Sie?
Das > TWA Flight Center am Flughafen JFK in New York von Eero Saarinen. Mich faszinieren seine Eleganz und geschwungenen Forme, die Zeitlosigkeit und Funktionalität sowie das Arbeiten mit Ebenen. Auch das > UN Hauptquartier in New York von Le Corbusier und Oscar Niemeyer ist ein zeitloses, sehr fein gezeichnetes Gebäude mit tollen Proportionen. Es wurde Ende der 1940er gebaut und passt heute noch immer in seine Umgebung. Die Spiral-Treppen-Skulptur im Außenministerium > The Itamaraty Palace in Brasilia von Oscar Niemeyer – für mich die Treppe schlechthin. Treppen wird in den heutigen Gebäuden oft nicht die Aufmerksamkeit geschenkt, die sie haben sollten. Egal ob in einem Geschosswohnungsbau, einer Schule oder einem Museum. Und der Bundestag in Bonn von Günter Behnisch. Ein sehr demokratisches Gebäude, wenn Demokratie ein Gebäude wäre, müsste es meiner Meinung nach so aussehen.

7. Was bremst Sie aus in Ihrer Vision als Architekt?
Der Fachkräftemangel und die politischen Rahmenbedingungen.

8. Was sind die größten Herausforderungen für die Architektur- bzw. Bau- und Immobilienbranche in den nächsten Jahrzehnten? Wo sehen Sie Ihre Rolle?
„Der Umbau der gesamten Branche hin zur Digitalisierung sowie die dramatische Reduktion des CO2-Ausstoßes beim Bauen und Planen. Dabei steht für mich im Mittelpunkt, gewohnte Denkmuster zu hinterfragen. Muss alles so kompliziert sein, gibt es keinen einfacheren Weg zum Ziel? Architektur ist auch Ingenieurwissenschaft, also sollten Architekten auch so handeln. Die alten Baumeister wussten um Möglichkeiten und Grenzen der zur Verfügung stehenden Materialien. Mit diesem Wissen hatten sie funktionale Häuser in ebensolchen Städten gebaut.

Mich – oder besser unser Büro – sehe ich in der Pflicht, unsere Bauherren an die Hand zu nehmen und sie auf dem gemeinsamen Weg zu einem guten Gebäude zu begleiten. Im Büro müssen wir unsere internen Prozesse analysieren und nach und nach digitalisieren. Der Vorteil den wir im Bereich der Planung haben, nämlich ortsunabhängig arbeiten zu können, wollen wir stärker ausbauen. Hier müssen wir Abläufe optimieren, damit sich Kollegen* trotz Distanz nahe sind.

9. Woran liegt es, dass zeitgemäße Architektur mitunter polarisiert oder nicht die Wertschätzung erfährt, die ihr zusteht?
An der Banalität der Alltagsarchitektur. Vorschriften getriebenes Denken und Arbeiten trübt das Bild ein aufs Wesentliche. Oft werden nur noch Bauelemente von Montagetrupps aneinander gefügt, geklebt oder geschraubt. Natürlich erst, nachdem alles bauaufsichtlich und dem Vorschriftenwahn entsprechend zugelassen wurde. So banal wie gebaut wird, so banal wird auch zumeist geplant. Außerdem gibt der Berufsstand mehr und mehr das Heft des Gesamtdenkers und Dirigenten an die steigende Anzahl der Planungsbeteiligten aus der Hand.

10. Sie haben als Architekt und Mensch drei Wünsche frei...
… dass Menschen mehr Rücksicht auf die Umwelt und aufeinander. Als Architekt wünsche ich mir, dass vernünftiges und nachhaltiges Handeln nicht die Ausnahme bleibt, sondern zur Norm wird. Mehr Frauen an der Spitze von Architekturbüros würden dem ganzen Berufsstand gut bekommen.

 11. Was plant ALN für die nächsten Jahren?
Unser Büro am Nahensteig ist ein erstes Versuchshaus, mit dem wir zeigen, dass Gebäude nicht kompliziert sein müssen und sich auch mit wenigen Materialien bauen lässt. Und es zeigt, dass ein vertracktes Grundstück mit Steillage auch Vorteile hat, indem man z.B. das Hangwasser zum Heizen und Kühlen nutzt. Derzeit treiben wir die gewonnenen Erkenntnisse in einem weiteren Projekt für ein ungewöhnliches Einfamilienhaus auf die Spitze. Darüber hinaus möchten wir Nachhaltigkeit noch mehr leben – im Büro, in unserer Arbeit sowie privat.  

◾ Weitere Informationen zu Markus Neuber unter aln architekten sowie Instagram @aln_architecture.

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