Architekten. Für wen spielt die Musik? Mehr Pep in Texten bitte!

Klar verständlich und emotional über Projekte oder das Büro zu schreiben, ist der Schlüssel für eine wirksame Kommunikation. So erreichen PlanerInnen ihre Interessenten, wirken nahbar und schaffen Vertrauen. Und sie begeistern die Öffentlichkeit für zeitgemäße Architektur. Bilder sind attraktiv, Texte schaffen Fakten und inspirieren – wenn sie gelungen sind. Welche nicht funktioniert und warum, zeigt der Beitrag. Außerdem gibt es ein paar Tipps zur Verbesserung.

Foto: Hannah Grace unsplash.com

Foto: Hannah Grace unsplash.com

Leser* wollen klar verständlich und emotional erfahren, was Sache ist und worin die Raffinesse eines Projekts besteht. Oft wirken Kommunikation und Texte auf Zielgruppen zu fachspezifisch und wenig emotional, Beispiel? Geschossigkeit, Erschließung, Agglomerationsräume entwickeln…, Lösungsansätze realisieren, iterative Prozesse in der Zusammenarbeit. Auch unspezifische Begriffe wie „Leidenschaft“ oder obligatorische „Fokus aufs Wesentliche“ tragen wenig zu einem starken Text bei – geschweige zu einer Differenzierung. Architekten dürfen überlegen, für wen sie ihre Musik spielen: Sind es Kollegen, die Mitbewerber und Fachpresse oder nicht eher Bauherren, Öffentlichkeit und Nachwuchs?

Die folgenden Passagen stammen aus Interviews mit Architekten, von Websites und aus der Kooperation mit Kunden.

 

Part 1: Übliche Sprachkost & Worthülse

Bei einem Kundenprojekt ging es darum, die passende Tonalität für die Website eines Büros zu entwickeln. Es war irritierend, welche Vorstellung die jungen Gründer von ihrer Eigendarstellung hatten: „So wie auf der Website von XY, das wollen wir auch…!“ Da gab es die gewohnte Sprachkost mit Worthülse. Man schaut auf’s (schlechte) Beispiel des Mitbewerbers in der Annahme: So soll’s sein oder wird von Lesern erwartet. Wichtig war auch herauszustellen: „Wir sind Akademiker und wollen nicht für Heti und Pleti bauen.“

Okay, jedes Büro soll Wunschkunden sowie -projekte und Ziele haben. Darin bestärke ich meine Klientel. Genau das erfordert eben spezifische Texte mit Strahlkraft. Ein Architekturstudium ist per se nichts Besonderes, sondern die Voraussetzung für diesen Beruf (meistens). Interessanter war hingegen, dass einer der beiden Architekten auch ausgebildeter Schreiner ist. Das sind handfeste Fakten, die sich lohnen zu kommunizieren, weil das Möglichkeiten eröffnet für das Büro sowie künftige Bauherren.

 

Part 2: Bodenhaftung verloren?

Gründerzeitvilla Briller Viertel Wuppertal, Foto: U. Latzke

Gründerzeitvilla Briller Viertel Wuppertal, Foto: U. Latzke

Eine Textpassage aus “33 Interviews zur Architektur”, Frage an zwei Architekten Mitte 30 was sie inspiriert, Antwort: „Architektur wird von der kulturellen Logik einer Zeit durchdrungen, als Medium macht sie diese Durchdringung für die Gesellschaft sinnlich erfahrbar. Das Entwerfen als Vorgang, der zwischen objektiven und subjektiven Momenten oszilliert, lässt natürlich auch die eigene Biografie und das Unterbewusstsein erkennen. ⁠In einer Zeit, die von Rationalität, Ökonomie und Sicherheit geprägt ist, fasziniert uns das Irrationale am Prozess, das Mystische, das zum Schluss doch immer konkret wird, wenn es zur Realisierung kommt.

(…) Natürlich setzen wir uns intensiv mit der Architekturgeschichte auseinander oder interessieren uns für artverwandte Disziplinen wie Kunst oder Literatur. Doch sind es am ehesten die Erfahrungen mit der Architektur, die kontinuierlich synthetisiert und weiterentwickelt werden.”⁠

Wow, die bohren verbal dicke Bretter oder? Es wirkt ein wenig gestelzt und abgehoben, Cui bono? Es scheint, als wolle man die Mitbewerber beeindrucken.

 

Part 3: Hier entstehen Bilder im Kopf

Wieviel klarer auf den Punkt und anschaulich antwortet ein anderes Büro auf dieselbe Frage: „Der Alltag. Da ist alles drin – es dreht sich immer um Architektur. Wir sind der Gesellschaft verpflichtet, und um bauen zu können, müssen wir verstehen, wie der Alltag funktioniert. Egal, ob es um die Frage geht, an welcher Stelle ein Kaffeehaus richtig ist, wie der Kaffee ausgeschenkt wird oder wie ein Stadt funktioniert.”

Hier hatte ich Bilder im Kopf. Und Sie?

 

Part 4+5: Vorher und nachher

Aus einer PR-Mitteilung eines Leipziger Architekturbüros: „Der neue Stadtbaustein Schule ist als komplexes, minimales Volumen auf dem städtebaulichen Abdruck der ehemaligen anglikanischen Kirche platziert. Die erdgeschossige Transparenz der Komposition aus Schulneubau und Verbindungshalle wird als eine Geste gelesen, welche diese Bauteile vom Erdboden enthebt...“

Warum so umständlich und passiv schreiben? Vorschlag: „Der Schulneubau steht auf dem Grundstück einer ehemaligen Kirche. Parterre und Verbindungshalle sind als umlaufende lichtdurchflutete Glasfassade ausgeführt. Diese Offenheit nimmt dem Kubus die Strenge: Die beiden aufgesetzten Stockwerke scheinen über dem Parterre zu schweben.⁠ Alles wirkt hell und freundlich.”

Ein anderes Büro spricht „gerne von einer Begeisterungsfähigkeit, die uns beim Entwerfen leitet und die wir auf Bauherren übertragen: Entwerfen und Verwerfen als iterativer Prozess, an dem alle am Projekt Beteiligten partizipieren.”

Mit „iterativen“ Prozessen fühlt sich wohl kein Bauherr emotional abgeholt, schätze ich. Vorschlag: „Für unsere Bauherren entwerfen wir mit Freude. Bei der Planung beziehen wir alle Beteiligten ein – von der ersten Idee bis zur Schlüsselübergabe.“

 

Beseelt von der eigenen großen Idee?

Foto Rachel Moenning, unsplash.com

Foto Rachel Moenning, unsplash.com

Ein interessantes Zitat stammt von den Architekten Franz und Sue aus Österreich auf die Frage, worüber Architekten reden sollen: „… Dass wir außerhalb unserer Community so sperrig wahrgenommen werden, hat schon auch mit uns selbst zu tun. Wir sollten dringend eine Sprache entwickeln, die auch verstanden wird. Oft sind wir so beseelt von der eigenen großen Idee (…), dass wir vergessen, die Gegenseite mit ihren Anliegen wahrzunehmen und zu respektieren. Es wäre wichtig, hier dialoghafter vorzugehen.” (aus: 33 Interviews zur Architektur, nextroom.at).

Fazit: Substanz, Stil und Emotionen tun Texten gut. Architekten* dürfen überlegen, wie sie pro aktiv kommunizieren. Auch mehr Sendungsbewusstsein für Ihre Architektur, Werte und Leistungen wären von Vorteil. Eine pointierte Eigendarstellung auf der Website oder in den Medien und eine klare Positionierung zahlen aufs Unternehmen ein. Das Ziel ist, Menschen neugierig zu machen, zu inspirieren und somit Vertrauen aufzubauen und zu überzeugen.

Weitere Inspirationen gibt es im textart Blog oder auf der Homepage.