Architekten und Kommunikation – Confirmation Bias, selbsterfüllende Prophezeiung und was dagegen hilft

Jeder kennt sie, jeder hat sie: gelernte Glaubenssätze, Verallgemeinerungen und festgefahrene Denkmuster. Wir neigen dazu, Informationen selektiv auszuwählen, um unsere Sicht der Dinge und unser Weltbild zu bestätigen. Trotz anders lautender Fakten gibt es Zeitgenossen, die nicht vom Gegenteil zu überzeugen sind. Das kann schon nerven. Lesen Sie in dem Blogartikel, warum der Confirmation Bias und falsche Glaubenssätze die Kommunikation von Architekten torpedieren und was die typischen Denkmuster sind. Außerdem finden Sie 6 Impulse, wie Sie Dinge positiver sehen und den Kopf frei machen

Kö-Bogen (D. Libeskind), Mehr als nur ein Objekt, Foto: textart by ute Latzke

 
 

Confirmation Bias ist der Fachbegriff für den Bestätigungsfehler. Dieser geht zurück auf den britischen Psychologen Peter Wason, der sich bereits in 1960ern mit der kognitiven Verzerrung und Bestätigungsfehlern beschäftigte. Beliebte Spielarten sind die „selbsterfüllende Prophezeiung" und das „Berufen auf höhere Autoritäten“ (Authority Bias). Niemand ist frei davon. Und das soll an dieser Stelle keine Bewertung sein! Doch scheint es, dass innerhalb der Architekturbranche einige Bestätigungsfehler üblich sind.

Glaubenssätze von Architekten sind fast immer negativ

Architekten und Planer orientieren sich an Mitbewerbern, Branchenakteuren und Fachmedien – also an der Peergroup. Netzwerken und Agendasetting innerhalb der eigenen Kohorte mag sinnvoll sein. Jedoch besteht die Gefahr der Einseitigkeit, weil keine neuen Impulse von außen kommen oder gar nicht erwünscht sind. Daraus resultieren häufig unzutreffende Überzeugungen und vorgefertigte Meinungen. Nehmen wir z.B. Nutzen und Sinn von Digitalisierung, Website, Text und Social Media. Enthusiastisch sind Architekten da nicht gerade. Und es kursieren die tollsten Behauptungen. Jeder kennt jemanden, der weiß oder gehört hat, dass das alles nichts bringt, sich Investitionen nicht lohnen, man kein Neugeschäft darüber generiert. Es verblüfft, dass solche Glaubenssätze selten in eine positive Richtung gehen. Hier die typischen kognitiven Verzerrungen und Denkfallen.

Architektur erklärt sich von selbst. Nein!

Das Credo: „Gelungene Gebäude, zumal preisgekrönt, sprechen für sich bzw. unsere Arbeit.“ Ein weit verbreiteter Glaubenssatz, gleichsam haltlos. 1. Es ist die Bringschuld der Architekten, die in Ort und Raum eingreifen, ihre Architektur zu erklären bzw. in den Dialog zu treten. 2. Es sollte eine Freude und Mission sein, Menschen zeitgemäßes Bauen näherzubringen und sie dafür zu begeistern. Dazu eine Frage: Welchen Eindruck macht diese Attitude auf mögliche Interessenten und Öffentlichkeit? Sie wirkt abgehoben bis egozentrisch mit Verlaub.

Dazu ein Zitat von David Chipperfield. Der britische Architekt äußerte sich in einem Interview (SZ Magazin Ein Gebäude zu entwerfen ist kinderleicht) zum Thema Neubauten: „Die Menschen haben das Gefühl, Architektur sei etwas, was ihnen zustößt, was sie erleiden... Dass die Menschen auf Bausünden so lethargisch reagieren, liegt auch an der Unsichtbarkeit der Verantwortlichen.“ Auch Psychologe Prof. Ryklef Rambow vom KIT teilt nicht die Haltung, dass Architektur für sich spricht: „...Zugleich ist sie aber etwas extrem Kompliziertes, kulturell Aufgeladenes, das sich überhaupt nicht selbst erklärt. Es gibt keine Selbstverständlichkeiten in der Architektur. Wenn wir einen Grundkonsens über Architektur und Baukultur herstellen möchten, dann müssen wir intelligent, offen, respektvoll und mit großer Geduld darüber sprechen", (aus Interview in der DAB-online vom 30. September 2019).

Auf höhere Autoritäten berufen für den Status Quo

Beim „Authority Bias" berufen sich auch Architekten gerne auf höhere Instanzen der sogenannte Autoritäten. Es sind Kollegen, Freunde, Wettbewerber und andere Branchenakteure. Auch hier besteht die Gefahr, am Status quo festhalten zu wollen. Wieso das? Man holt sich z.B. die Bestätigung, dass etwas Neues nicht funktioniert oder sinnlos ist, um nichts ändern zu müssen. Das klingt so: „Eine Website? Also das ist doch nur ein Werbeschild, darüber macht man doch kein Neugeschäft! Eine gute Empfehlung von ehemaligen Kunden ist deutlich mehr Wert.“ Oder: „Linkedin, PodCast... Positionierung, digitales Marketing...? Ja nee... es läuft bei uns auch so richtig gut. Brauchen wir alles nicht. Wir machen ja Wettbewerbe und werden angefragt..."  

Dazu ein Reality-Check
Eine Website ist weitaus mehr als ein „Werbeschild", lach! Zumal es sich nicht ausschließt, Interessenten online anzuziehen, erneut angefragt oder empfohlen zu werden. Tatsache ist leider: Architekten dämmert die Bedeutung einer guten Website und Kommunikation immer noch nicht. Welcome in 2020. Hier besteht bei vielen akuter Handlungsbedarf.

Dazu ein paar Fakten. Die Website ist und bleibt der wichtigste Marketingkanal. Laut einer B2B-Studie von B2B-Studie von eminded erhöhten 2020 etwa 65 Prozent der befragten Unternehmer ihr Onlinemarketingbudget. Fast 80 % davon nutzen digitale Medien zur Leadgewinning (Lead = qualifizierter Kontakt). Eine weitere Studie zur Digitalisierung während der Corona-Krise von Bitkom-Research unter 1000 Unternehmern ergab ähnliches: 75 Prozent investieren 2020 in digitale in Technologien und stehen der Digitalisierung positiv gegenüber. Die Bundesarchitektenkammer befragte 6000 Architekturbüros zur Krise. Die BAK-Studie ergab: Rund die Hälfte hat während der Corona-Krise keine Maßnahmen ergriffen, außer Zuschüsse zu beantragen oder Verbindlichkeiten einzufordern. Investitionen in Digitalisierung, Website, Kommunikation oder vielleicht BIM...? Nein! Neben durchaus zugestandenen finanziellen Engpässen dürfte das sicher auch am Mindset liegen.  

Märchenstunde: Social Media bringt nichts

Das Gros der Architekten tutet in dasselbe Horn: „Instagram, Linkedin oder PodCast einsprechen, Blogartikel schreiben, Agendasetting betreiben, Postionierung und sichtbar werden...? Das bringt nichts, zu viel Arbeit, falsche Zielgruppe. Darüber kommt doch kein Neugeschäft.” Oder „XY haben das probiert, die sagen auch: Macht alles nur Arbeit und frisst Zeit!" Das sind Pauschalurteile! Ja, Social Media ist aufwändig – wie alles, das man professionell und passioniert betreibt. Etwas Instagram: Leider sehen die meisten das Netzwerk nur als eine Bildplattform. Fotos hochladen, ein „bisserl was zeigen“ und dafür Herzen kassieren.⁠ Die Followerzahlen wachsen, doch mehr passiert nicht. Also heißt es: „Kommt nichts bei rum, darüber generiert man kein Neugeschäft...“ Instagram ist ein soziales Netzwerk. Dabei geht es in erster Linie um Inspiration der Community und Vertrauensaufbau. Das erreicht man nur mit Mehrwert, sprich: Content, der die Zielgruppe begeistert. Dazu gehört auch Interaktion. Es geht hier um Social Proof, den muss sich allerdings erst verdienen. Daraus entstehen erste Kontakte und so weiter…

Mitarbeitergewinnung über soziale Netzwerke? Was soll das!

⁠Bei der Bedenkenträgerei darf ein Thema nicht fehlen: Mitarbeitergewinnung, gerade auch von jungen Talenten. Es sollte jedem Architekten klar sein, dass der Nachwuchs bei der Wahl des Arbeitgebers auf folgendes achtet: Wie präsentiert sich das Büro als Arbeitgeber. Wie ist man digital aufgestellt? Gemeint sind nicht Büroausstattung, Rechner und CAD-Programme. Das ist wohl selbstverständlich! Nutzt man Instagram, Youtube, Linkedin oder Facebook? Welche Rolle spielen Website, BIM oder Tools wie VR und AR (Virtual und Augmented Reality) etwa zur Präsentation bei Wettbewerben? Oder ganz einfach: Kann sich das junge Talent mit seinen Ideen einbringen, auch per Video bewerben uvm? Oder präsentiert sich das Büro selbst mit einem kleinen Video z.B. auf Instagram…? Wer hier auf der Höhe der Zeit ist und neue Technologien willkommen heißt, ist im Vorteil. Ignorieren des Wandels schafft mit Sicherheit keine Abhilfe!

Architekt als Marke und Baukultur als Produkt

Architekten dürfen sich mit dem Gedanken vertraut machen, das eigene Büro als Marke zu verstehen mit diversen „Produkten”. Auch wenn das manche befremdet, Motto: „Wir erschaffen Baukultur und was wir machen, ist Kunst von bleibendem gesellschaftlichem Wert." Das trifft ja in vielen Fällen zu. Dennoch ist hier ein neues – realistisches – Mindset erforderlich. Unterm Strich geht es eben auch um Profitabilität und Investitionen. Es ist ein Business und Architekten haben Verantwortung für den Betrieb und ihre Mitarbeiter. Daher ist es wichtig, präsent am Markt zu sein mit einer klaren Positionierung und einer pro aktiven Kommunikationsstrategie. Da wünschte ich mir ein positiveres Denken und mehr Realitätssinn: Noch nie hatten Unternehmen so viele technische Möglichkeiten, sichtbarer zu werden und in Kontakt mit Interessenten zu kommen.

Free your mind – 6 Tipps für eine frische Denke

Tipp 1: Versuchen Sie es doch mit einer positiven Haltung gegenüber der Digitalisierung. Fokussieren Sie sich auf Ihre Stärken und sind Sie mit Begeisterung dabei: Positionierung, Alleinstellung, Qualitäten, Ihr tolles Team und Ihre Werte dürfen Sie mit Freude darstellen und kommunizieren. Eine hochwertige Website und soziale Netzwerke sind Ihre Bühne, die Sie bespielen dürfen: Betrachten Sie das als Chance und geben Sie Interessenten einen Grund (!), warum er oder sie mit Ihnen in Kontakt treten sollte.

Tipp 2: Schauen Sie in Sachen Kommunikation, Website und Digitalisierung nur auf die Mitbewerber, die weiter (!) sind als Sie. Nehmen Sie diese zum Vorbild, um Ihren Ehrgeiz zu entfachen. Lassen Sie sich inspirieren, aber bleiben Sie sich treu. All die anderen dürfen Sie getrost ignorieren.

Tipp 3: Erweitern Sie Ihr Umfeld. „Du bist der Durchschnitt der fünf Personen, mit denen Du die meiste Zeit verbringst.“ Das Zitat von Unternehmer und Motivationstrainer Jim Rohn klingt nur auf den ersten Blick hart. Tatsächlich ist es so, dass unser engstes Umfeld unsere Gedanken, Handlungen und somit auch unseren Erfolg beeinflussen. Dazu passt auch das Motto: Wenn Du der Klügste im Raum bist, ist etwas falsch. Dann solltest Du den Raum verlassen.

Tipp 4: Folgen Sie Vertretern aus anderen Branchen. Lassen Sie sich inspirieren von den Protagonisten aus anderen Disziplinen, insbesondere der digitalen Branche oder von Marketingprofis und Motivationstrainer. Nehmen Sie sich einen Coach, schließen Sie sich einer Mastermind an! Da kommt frischer Wind in die festgefahrene Denke. Auch wenn manche Branchen auf den ersten Blick scheinbar nicht passen: Man kann immer etwas lernen und neue Perspektiven bringen neue Ideen!

Tipp 5: Reden und formulieren Sie „Kundisch“. Richten Sie Ihre Kommunikation an der Zielgruppe aus, schreiben Sie klar verständlich und emotional. Es geht um potenzielle Bauherren, Interessenten, Nutzer, Umfeld und Öffentlichkeit sowie den Nachwuchs! Ihre Zielgruppe sind nicht die Wettbewerber, Fachmedien oder Architekturkritiker. Erwarten Sie da Aufträge? Wohl kaum. Und ob Ihnen deren Meinung wichtig sein sollte... bleibt Ihnen überlassen.

Tipp 6: Investieren Sie in eine Kommunikationsstrategie bzw. attraktive Website und professionelle Texte sowie Social Media. Wenn die eigenen Mitarbeiter das nicht stemmen können, holen Sie sich Rat von Profis. Lösen Sie sich von dem Glaubenssatz, Sie müssten das alles selbst erledigen! Die Erfahrung zeigt, dass Kommunikation und Schreiben nicht das Metier der Architekten sind. Experten nehmen Ihnen das gerne ab. So bleibt der Kopf frei und Sie fokussieren aufs Wesentliche: gute Architektur zu gestalten. Betrachten Sie das Finanzielle als lohnende Investition, die nachhaltigen Mehrwert schafft.

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